Wir dokumentieren in einer eigenen Übersetzung die Ansprache von Papst Franziskus bei der Generalaudienz von Mittwoch, dem 20. September 2017.
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Die christliche Hoffnung – 33. Zur Hoffnung erziehen
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Das Thema der heutigen Katechese lautet: „Zur Hoffnung erziehen“. Aus diesem Grund werde ich sie direkt, als „du“ an euch richten und mir vorstellen, als Erzieher, als Vater, einen jungen Menschen oder jede lernbereite Person anzusprechen.
Denke, dort wo Gott dich gesät hat, hoffe! Hoffe immer.
Kapituliere nicht vor der Nacht: Erinnere dich daran, dass der erste zu besiegende Feind nicht außerhalb dir liegt sondern in dir ist. Gib daher den bitteren und dunklen Gedanken keinen Raum. Diese Welt ist das erste von Gott geschaffene Wunder und Gott hat die Gnade neuer Wunder in unsere Hände gelegt. Glaube und Hoffnung gehen gemeinsam voran. Glaube an die Existenz der höchsten und schönsten Wahrheiten. Vertraue auf Gott den Schöpfer, auf den Heiligen Geist, der alles zum Guten hin wendet, auf die Umarmung Christi, die jeden Menschen am Ende seiner Existenz erwartet; glaube, er wartet auf dich. Die Welt geht dank des Blicks vieler Menschen, die Freiräume geschaffen, Brücken gebaut, geträumt und geglaubt haben; auch wenn sie von ihren Umfeld verlacht wurden.
Denke nie, dass der hier unten geführte Kampf vollkommen sinnlos sei. Am Ende der Existenz steht uns kein Schiffbruch bevor: ein Samen des Absoluten regt sich in uns. Gott enttäuscht nicht: Wenn eine Hoffnung in unseren Herzen Platz hat, will er sie nicht mit ständigen Frustrationen unterdrücken. Alles entsteht, um in einem ewigen Frühling zu blühen. Auch Gott hat uns geschaffen, damit wir blühen. Ich erinnere mich an jenen Dialog, in dem eine Eiche einen Mandelbaum bat: „Erzähle mir von Gott“. Und der Mandelbaum blühte.
Wo immer du bist, baue! Wenn du am Boden bist, stehe auf! Bleib niemals am Boden liegen, steh auf und lass dir helfen, um auf die Beine zu kommen. Wenn du sitzt, setze dich in Bewegung! Wenn die Langweile dich lähmt, verjage sie mit Werken des Guten! Wenn du dich leer oder entmutigt fühlst, bitte den Heiligen Geist darum, deine Leere wieder zu füllen.
Stifte Frieden mitten unter dem Menschen, und höre nicht auf die Stimmen, die Hass oder Spaltung verbreiten. Höre nicht auf diese Stimmen. Die Menschen – wie sehr sie sich auch voneinander unterscheiden – sind geschaffen, um miteinander zu leben. Sei geduldig in Auseinandersetzungen: Eines Tages wirst du erkennen, dass in jeden Menschen ein Fragment der Wahrheit gelegt wurde.
Liebe die Menschen. Liebe einen nach dem anderen. Achte den Weg aller, wie linear oder beschwerlich er auch sein mag, denn jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Auch ein jeder von uns hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Jedes geborene Kind ist die Verheißung eines Lebens, das sich einmal mehr als stärker als der Tod erweist. Jede entstehende Liebe ist eine Kraft der Verwandlung, die Glück herbeisehnt.
Jesus hat ein Licht übergeben, das in der Finsternis leuchtet: Verteidige es, schütze es. Diese einzige Lampe ist der größte Reichtum, der deinem Leben anvertraut wurde.
Und vor allem: träume! Hab nicht Angst davor zu träumen. Träume! Träume von einer Welt, die noch nicht sichtbar ist, aber mit Sicherheit kommen wird. Die Hoffnung lässt uns an die Existenz einer Schöpfung glauben, die sich bis zu ihrer endgültigen Vollendung ausbreitet, wenn Gott alles in allem sein wird. Die Menschen mit Vorstellungsvermögen schenkten dem Menschen wissenschaftliche und technologische Entdeckungen. Sie durchfurchten die Ozeane, sie durchwanderten Gebiete, die niemand je betreten hatte. Die Menschen, die Hoffnung hegten, sind auch jene, die die Versklavung besiegten und bessere Lebensbedingungen auf dieser Erde brachten. Denkt an diese Menschen.
Sei verantwortlich für diese Welt und für das Leben eines jeden Menschen. Denke daran, dass jede Ungerechtigkeit gegenüber einem Armen eine offene Wunde ist und deine eigene Würde mindert. Das Leben hört nicht mit deiner Existenz auf, und in diese Welt werden andere Generationen kommen, die unserer nachfolgen, und viele andere. Und bitte Gott jeden Tag um die Gabe des Mutes. Erinnere dich daran, dass Jesus für uns die Angst besiegt hat. Er hat die Angst besiegt! Unsere tückischste Feindin kann gegen den Glauben nichts anrichten. Und wenn du angstvoll einer Schwierigkeit des Lebens gegenüberstehst, erinnere dich daran, dass du nicht nur für dich selbst lebst. In der Taufe wurde dein Leben in das Mysterium der Trinität eingetaucht und du gehörst zu Jesus. Und wenn dich eines Tages der Schrecken ergreift oder du denkst, dass das Übel zu groß ist um besiegt zu werden, denke einfach daran, dass Jesus in dir lebt. Und er ist es, der durch dich alle Feinde des Menschen mit seiner Sanftmut besiegen will: die Sünde, den Hass, das Verbrechen, die Gewalt; alle unsere Feinde.
Hab stets den Mut zur Wahrheit, aber bedenke: Du bist niemandem überlegen. Erinnere dich an Folgendes: Du bist niemandem überlegen. Auch wenn du der letzte geblieben wärst, der an die Wahrheit glaubt, so darfst du dich deshalb trotzdem nicht aus er Gesellschaft anderer Menschen zurückziehen. Auch wenn du in der Stille eines Einsiedlers lebst, trage das Leiden jedes Geschöpfes in deinem Herzen. Sei Christ; und gib im Gebet alles an Gott zurück.
Kultiviere Ideale. Lebe für etwas, das den Menschen übersteigt. Und wenn diese Ideale dir eines Tages eine hohe Rechnung präsentieren, höre nie auf, sie im Herzen zu tragen. Die Treue erhält alles.
Wenn du Fehler machst, steh wieder auf: Nichts ist menschlicher als das Begehen von Fehlern. Und diese Fehler dürfen nicht zu einem Gefängnis für dich werden. Verfange dich nicht in deinen Fehlern. Der Sohn Gottes ist nicht für die Gesunden, sondern für die Kranken gekommen: Daher ist er auch für dich gekommen. Und wenn du in Zukunft wieder einen Fehler begehst, fürchte dich nicht, steh wieder auf! Weißt du warum? Gott ist dein Freund.
Wenn dich die Bitterkeit ergreift, glaube fest an alle Menschen, die noch für das Gute wirken: in ihrer Demut ist der Same einer neuen Welt. Habe Umgang mit dem Menschen, die das Herz eines Kindes bewahrt haben. Lerne vom Wunder, pflege das Staunen.
Lebe, liebe, träume, glaube. Und – mit der Gnade Gottes – verzweifle nie.
[Übersetzt aus dem Italienischen von Sarah Fleissner]