Was kann sich ein junger und wohlhabender kroatischer Fußballer wünschen, dessen Traum, bei einer der prestigeträchtigsten Mannschaften der italienischen Serie A mitzuwirken, in Erfüllung gegangen ist? Eine Messe in seiner Muttersprache. Wer über einen minimalen Einblick in das millionenschwere und durch Zuwiderhandlungen gekennzeichnete Fußballgeschäft verfügt, in der sich zahlreiche materielle Vorbilder anstelle der Religion profilieren, mag darüber erstaunt sein.
Der in der österreichischen Stadt Linz geborene Mateo Kovacic zieht die erhabene Stille einer Kirche dem Dröhnen eines leuchtenden Autos und eine sanfte Litanei dem aufdringlichen Sound einer Diskothek vor. Seine Eltern flüchteten Mitte der 90er Jahre vor jenem Bruderkrieg, der den gesamten Balkan in Geiselhaft nahm. Kovacic trägt seit seiner Geburt die Narben jener tragischen Tage. Sie verbergen sich hinter seinem ernsten und zuweilen nachdenklichen Blick.
Im Gesprächüberdie Werte, die ihn in seinem Leben begleiten und ihm zwischen den kurzlebigen Erfolgsmomenten in Mailand Halt geben, beginnen seine Augen zu leuchten. Von diesen Werten ist Kovacic durchdrungen; sie liegen auf einer tieferen Ebene als das schwarzblaue Trikot, das er trägt. Glaube, Familie und seine Wahlheimat – er besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft – halfen ihm bei derÜberwindungaller Hürden von den Jugendlichen unter 14 bis zum Eintritt in die Nationalmannschaft. Verantwortlich für diesen Aufstieg ist sein Talent, eine gleichsam unfehlbare Technikausführung; eine weitaus wichtigere Rolle spielte jedoch ein anderer Aspekt.
„Meine Familie ist das Wichtigste im Leben, meine Eltern haben mich immer unterstützt und stehen mir auch heute nahe; unabhängig davon, ob die Dinge gut oder schlecht laufen“, gab Kovacic gegenüber der kroatischen Zeitschrift „Story“ im Vorfeld des Eröffnungsspiels der Weltmeisterschaft bekannt. Dabei wird er für seine Heimat Kroatien gegen Brasilien im Einsatz sein.
Seine Herkunftsfamilie ist für Mateo wesentlich. Er hofft, dieses Modell in Zukunft selbst – vielleicht mit seiner derzeitigen Freundin Isabel – verwirklichen zu können. Im Gegensatz zu vielen der Begleiterinnen der Kollegen Kovacics wird man dieses Mädchen vergeblich auf den Covers von Hochglanz-Zeitschriften suchen. „Das Erscheinungsbild eines Mädchens ist wichtig, doch ich bin nicht ausschließlich daran interessiert. Wichtig sind für mich Freundlichkeit, Bildung, Ehrlichkeit und Bescheidenheit“. Isabel erfüllt all diese Voraussetzungen, weshalb Mateo bereits an die Zukunft denkt. „Ich möchte im Leben gute Arbeit leisten und dadurch meine Familie glücklich machen und es ihr an nichts fehlen lassen“.
Dies wird Kovacic gelingen, wenn er es verstehen wird, sie zum Glauben an Gott zu erziehen, was seine Eltern für ihn getan haben. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“, erinnert Psalm Nr. 23. „Ich bin von Kindheit an im Glaubengroßgeworden. Religion hat in meinem Leben immer eine entscheidende Rolle gespielt“, so das junge kroatische Fußballtalent. Der Glaube hat ihm bei der Überwindung einer schwierigen Phase seiner Karriere geholfen. Im Jahr 2009, als er erst kurze Zeit Mitglied der Dynamo Zagabria war, setzte eine schwere Beinverletzung die Fortsetzung seiner Karriere aufs Spiel.
„Von diesem Augenblick an habe ich mich erneuert, ich habe erkannt, dass auch in negativen Momenten Positives entstehen kann“. Dies gibt Kovacic mit großer christlicher Reife gegenüber dem katholischen Portal „Raskrije“bekannt. Er führt aus: „Wenn man den Gips abnimmt, erkennt man, dass der Fuß geschwächt ist. Drei oder vier Monate lang kann man nicht mehr gehen. Es war schwer, aber ich habe es geschafft. Natürlich muss ich meiner Familie und meinen Freunden und natürlich auch Gott danken“.
Diese Ausführungen machen aus Kovacic eher ein schwarzes Schaf als ein schwarz-blaues. Wie zeigt sich sein Glaube im Umkleideraum von Inter Mailand? „Meine Kollegen wissen, dass ich gläubig bin. Manche von ihnen sind es einfach nicht, während andere sogar fluchen. Ich versuche, sie davon abzuhalten, aber wenn ich sehe, dass es nichts bringt, lasse ich es bleiben“. Diese Geste ist keine Nachgiebigkeit gegenüber dem Bösen, sondern Ausdruck der christlichen Barmherzigkeit, wie er folgendermaßen erläutert: „Wenn sie diese Sprache verwenden wollen, kann ich nur für sie beten“.
Dazu könnte er sich in die Kirche begeben, die dank der Spenden einiger gläubiger Inter-Fußballer– allen voran der langjährige Kapitän Javier Zanetti, der sich im vergangen Monat zurückgezogen hat – im Hauptquartier Pinetina der Mailänder Mannschaft errichtet werden konnte. An diesen schönen Ort fern vom Lärm des Pressesaals und der Tribünen zieht Kovacic sich oft zurück. „Von manchen werde ich sogar Ministrant genannt, aber ich verstehe das nicht als Beleidigung, wenn wir Spaß machen“, lächelt Kovacic.
Auf die Frage nach seinem bevorzugten Gedanken der Bibel breitet sich das Lächeln über sein gesamtes Gesicht aus: „Lege alles in die Hände des Vaters“, seufzt Kovacic. Dieser gute Gott hat ihm eine zu liebende Familie, ein Talent, das er zu nutzen verstand und eine Heimat mit seinen Wurzeln geschenkt. Kovacic bezeichnet sich als „sehr glücklich“ darüber, in Mailand zu leben und für Inter zu spielen, weiß jedoch, wo sein Zuhause, seine Freunde und seine Kirche sind. „Und darauf kommt es an.“