Pakistan hat erneut einen aufsehenerregenden Lynchmord zu verzeichnen. Seit Gründonnerstag sorgen in den sozialen Netzwerken Filmaufnahmen von der Gewalt gegen den 23-jährigen Studenten Mashal Khan der Abdul Wali Khan Universität im pakistanischen Mardan weltweit für Entsetzen. Angeblich sahen sich die Täter durch Blasphemie provoziert. Mehrere islamische Geistliche haben das Verbrechen nun mit dem Verfahren gegen die wegen Blasphemie beschuldigte christliche Familienmutter Asia Bibi in Verbindung gebracht und sogar gerechtfertigt. Sie versuchten so, Druck auszuüben und ihre Hinrichtung herbeizuführen.
Ein Geständnis und eine Zeugenaussage weisen inzwischen darauf hin, dass es sich um einen kalkulierten Mordaufruf handelte, um einen sozial engagierten und unbequemen Studenten aus dem Weg zu räumen. Der muslimische Student der Journalistik wurde am Donnerstag unter dem Vorwurf, Ideen der Ahmadi-Gemeinschaft zu vertreten und Blasphemie begangen zu haben, seiner Kleider beraubt und zu Tode malträtiert. Das Video zeigt einen jungen Mann ohne Hosen mit blutendem Oberkörper leblos vor den Stufen eines Studentenheims auf dem Bauch liegend. Fanatisierte junge Männer bewerfen ihn mit harten Gegenständen, aus einem Fenster fliegt ein Blumentopf auf seinen Kopf und eine Stimme ruft „Allahu akbar“.
Mehrere pakistanische Imame machten das Oberste Gericht für die Gräueltat verantwortlich, weil dies im vorigen Oktober das Verfahren gegen Asia Bibi vertagt hatte. „Wenn Sündern, die von den Gerichten für gotteslästerlich erklärt wurden, nicht Aufschub ihrer Strafe gewährt würde, handelten Studenten nicht auf diese Weise“, erklärte Mufti Muhammad Haneef Qureshi in einem von der Agentur AsiaNews zitierten Fernsehinterview. Vorfälle wie der Neuerliche kämen wiederholt vor, solange sich Menschen in ihren religiösen Gefühlen verletzt sähen. Mit dem Fortgang des Verfahrens wird im Juni gerechnet.
Inzwischen sind laut pakistanischen Medienberichten 59 Verdächtige festgenommen worden, darunter sechs Universitätsbeamte. Mit Mashal Khan waren noch zwei weitere Studenten ins Visier der Täter geraten. Laut Polizeiangaben liegen keine Hinweise vor, dass sich auch nur einer von ihnen in religiöser Hinsicht respektlos geäußert hätte.
Der Student Abdullah, der mit einer Verletzung der Attacke entkam, sagte aus, die Universitätsverwaltung sei aufgrund der Kritik Mashals im paschtunischen Internetfernsehen an ihrem Vorgehen besonders gegenüber wirtschaftlich schwächer gestellten Studenten erzürnt gewesen. Gegen elf Uhr am Donnerstagvormittag habe er einen Anruf erhalten und sei in den Fachbereich Journalistik zitiert worden. Der Klassensprecher habe ihn dort erstmals mit den Blasphemievorwürfen gegen ihn, Mashal und den Mitstudenten Zubair konfrontiert. Er habe dann das islamische Glaubensbekenntnis in Arabisch, Urdu und Paschtu vorgetragen, woraufhin der Sprecher und weitere Anwesende, ihn dazu bringen wollten, Mashal zu beschuldigen. Er habe dies abgelehnt. Dozenten hätten ihn dann in einer Toilette in Sicherheit gebracht, bevor ihn die Polizei da herausholte.
Ebenso legt der Verdächtige Wajahat der Verwaltung zur Last, ihn zur Falschbezichtigung angestiftet zu haben. Auch seinen Angaben zufolge rief Klassensprecher Mudassir Bashir ihn ins Büro des Fachbereichsleiters. Unter den dort höchstens 20 Versammelten benannte er den Dekan und drei Dozenten namentlich. Er habe deren Ansinnen, die drei Studenten zu beschuldigen, nachgegeben. Die Situation sei eskaliert, als Bilal Baksh, diensthabender Sicherheitschef, drohte, „mit eiserner Hand“ gegen etwaige Verteidiger der Betroffenen vorgehen zu wollen und ankündigte, Mashal zu töten. Daraufhin sei die Gruppe zu dessen Studentenheim geeilt.
Der pakistanische Mufti Naeem indes nannte den Ermordeten einen Märtyrer. Er rief Islamgelehrte aller Glaubensrichtungen dazu auf, Gewaltakte aufgrund des Missbrauchs der Blasphemiegesetze zu verurteilen. Sie sollten eine Stellungnahme abgeben, der zufolge diese Lynchakte sich „gegen die Scharia und gegen das pakistanische Gesetz“ richteten.